27.01.2022
Rückblick - Jahresbericht 2021

Das Jahr 2021 stand unter den Einschränkungen der weltweiten Corona-Pandemie. Wenn auch unter erschwerten Bedingungen konnte die Nahosthilfe insgesamt 11 Projektträger im Libanon, Syrien und Irak unterstützen. Die EKM unterstützt die Nahostarbeit im Rahmen ihres kirchlichen Entwicklungsdienstauftrages in 2021 mit einer Gesamtfördersumme von 30.000 EUR. EKM-Partner mit einer jährlichen Förderung zu je 15tsd EUR sind 2 NGOs: im Irak CAPNI (Christian Aid of Northern-Iraq) und im Libanon & Syrien CPS (Compassion Protestant Society).

CAPNI

Im Irak wird die Bildungs- und Versöhnungsarbeit des soziokulturellen Zentrums in Bartella, einer ehemals christlichen Vorstadt von Mossul, unterstützt. Co-Partner in 2021 war die Nordkirche (H. Lehming). Konkret wurden Berufsstarterkurse, Sprachunterricht sowie kulturelle und sportliche Angebote finanziert. Die Begegnung der verschiedenen Ethnien und Religionen vor Ort wird gefördert. Die Programme des Zentrums dienen der Konfliktvermeidung und Prävention, hat sich doch die Bevölkerungsstruktur der Stadt radikal gewandelt. War Bartella vor 2014 mehrheitlich christlich geprägt, bildet nun eine andere ehemalige Minderheit, die Shabbaks (Shiitische Sondergemeinschaft) die heutige Mehrheit. Die Sicherheitslage in der Region ist volatil. Es kommt immer wieder zu Interessenkonflikten zwischen der irakischen Zentralregierung und Milizen der kurdischen Autonomiebehörde. Minderheiten lassen sich leicht für die ein- oder andere Seite instrumentalisieren.

Die Hilfe der EKM für dieses Projekt wurde in 2 Raten transferiert. Als im Herbst die zweite Rate überwiesen werden sollte, hatte CAPNI Probleme mit der jordanischen Transferbank. Eine Rate von 7500 EUR wurde deshalb kommentarlos zurücküberwiesen, CAPNI war es über mehrere Wochen nicht mehr möglich, internationale Hilfsgelder zu empfangen. Davon betroffen waren alle Partner dieser Organisation in Deutschland und Europa. Dieses Beispeil aus dem Bankensektor zeigt, wie schnell sich von jetzt auf gleich die Lage ändern. Genaue Absprachen, enge Kommunikation, Transfer-Scanning sind unerläßlich, damit die EKM-Hilfe verläßlich ihren Zielpartner erreicht. Mit CAPNI wurde daraufhin vereinbart, dass die zweite Teilsumme auf das deutsche Konto des Leiters, E. Youkhana, überwiesen wird und er dieses Geld nach seinem Weihnachtsbesuch in Deutschland bar mit in den Irak zurücknimmt.

CPS

Die NGO CPS hat ihren Sitz im Kirchenamt der National Evangelical Synod Church in Syria & Lebanon (NESSL) in Beirut/Libanon. Wie ihre Trägerkirche liegt das Einsatzgebiet im gesamten Libanon und in allen Teilen Syriens. Dort ist diese Kirche Träger mehrerer Schulen sowie von 4 Learning Center für syrische Flüchtlingskinder im Libanon. Der Libanon hat 2021 eine rasante wirtschaftliche Talfahrt erleben müssen. Mittlerweile gelten 80% der Bevölkerung als verarmt, infolge der politischen Krise im Land leiden die Menschen unter einer massiven Entwertung der Landeswährung, Mangel an Treibstoff und Energie, sowie Medizin. Unter dieser wirtschaftlichen Talfahrt leiden ebenso die rund 1 Mio syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge im Land. Die libanesische Währung verliert fast wöchentlich an Wert. Nach dem Zusammenbruch des libanesischen Finanzsektors, können Valutaüberweisungen nur noch auf sogenannte „fresh-money-accounts“ erfolgen. CPS besitzt so einen Bankzugang, jedoch wird das dorthin transferierte Geld zu einem festen Bankenkurs von 1USD - 4500 LBP ausgegeben. Der offizielle Umtauschkurs für Bargeld lag zeitgleich Anfang Oktober bei 1:17500. Um diesen Kursverlust zu vermeiden, blieb in 2021 nur der Bargeldtransfer. Mit den Hilfsgeldern 2021 sollte Schulessen und Schulmaterial für die 4 Flüchtlingsschulen im Libanon (7500 EUR) bezahlt werden, die andere Hälfte der EKM Unterstützung war für die evangelische Schule in Kamishli (NO-Syrien – kurdisch kontrolliertes Gebiet) bestimmt, hier für Schulmaterial, Covid-19-Präventivmaßnahmen und wegen akuter Probleme auch für Bereitstellung von Trinkwasser. Durch Überweisung des Betrages hätten nur ca. 100 Kinder im Libanon von der Hilfe profitiert. Durch Barmitnahme der Mittel konnten allein dort fast 400 Kinder unterstützt werden. Ähnlich sieht es für die Hilfe in Syrien aus. Die Anzahl der erreichten Schüler konnte durch den Barmitteltransfer signifikant erhöht werden.

Visitationsreise in den Libanon und Syrien – Herbst 2021

Besuch von altbekannten Partnern

Bereits im April 2020 war eine Visitationsreise in den Libanon und nach Syrien geplant, mußte jedoch aufgrund der Pandemie abgesagt werden. Vom 24.09-7.10.2021 konnte ich in die Zielregion reisen mit Stationen in Beirut, Minyara, Lattakia und Damaskus. Dringend benötigte Spendengelder konnten bar übergeben werden, darunter auch die für CPS bestimmten EKM-Gelder 2021 in voller Höhe. Darüberhinaus wurde eine größere Menge Insulin und Medikamente mitgeführt, die für Empfänger in Syrien bestimmt waren. In Lattakia war es möglich, den Produzenten der beliebten Avo-Seife zu treffen, um mit ihm gemeinsam nach Lösungen für das Transportproblem bei der diesjährigen Seifenlieferung zu suchen. Seit nunmehr 4 Jahren vertreibt die Nahosthilfe diese Seife im gesamten Bundesgebiet. Sie ist nicht nur ein gelungenes back-to the job Programm für den Produzenten in Syrien, sondern zugleich Werbeträger und Erkennungszeichen der EKM-Nahosthilfe geworden. Doch in diesem Jahr war der Import überaus schwierig zu organisieren. Grenzen im Nahen Osten werden willkürlich geschlossen, es gibt keinen Treibstoff für LKWs, bezahlbare Transportkapazitäten sind nicht zu finden, im Libanon gibt es Verzögerungen und Probleme mit der Verzollung und Weiterbearbeitung der Lieferung, insbesondere wenn die Waren aus Syrien kommen. Das Zollgebäude ist der verheerenden Explosion im Hafengelände in 08/2020 zum Opfer gefallen. Ende November, Planungstermin war im März!, kam dann doch die bestellte halbe Tonne Seife in Rüdersdorf an, von der ein Großteil bis Weihnachten bereits verkauft worden ist. Der Verkaufserlös abzüglich Steuern und Transport kommt Avedis und allen, die an der Produktion der Ware beteiligt sind in Kessab (NW-Syrien) zu Gute. Diese Gelder werden im Frühjahr 2022 an ihn transferiert.

Neu gewonnene Partner

Ein Schwerpunkt der Visitationsreise lag schließlich auch darin, neu gewonnene Partner und ihre Hilfsprojekte aus der orthodoxen Religionsfamilie im Libanon und Syrien näher kennenzulernen. Bisherige Partner dort waren vornehmlich aus dem evangelischen Bereich, ein Partner ist Maronit (kathol. Religionsfamilie), die assyrische Kirche des Ostens kann den altorientalischen Kirchen zugeordnet werden, obgleich sie innerhalb der Ökumene vor Ort wenig Rückhalt und Unterstützung bekommt. So ist sie vor allem auf Betreiben der Kopten nicht Mitglied des lokalen Kirchenrates, des MECC. Seit mehreren Jahren wird der medizinische Notfond dieser Kirche in Beirut unterstützt, wovon Meschen Medikamente und medizinisch notwendige Behandlungen bezahlen können. Mit diesem Förderschwerpunkt arbeitet auch Msg. Johad Nassif (maronitische Kirche Homs und Umland), sowie die evangelische Kirchgemeinde Minyara und die durch sie geschaffene Poliklinik im ländlichen Raum im Nordlibanon.

Die Nahosthilfe unterstützt seit Juli 2021 mit 2000 EUR das Studierendenhilfsprogramm der rum-orth. Kirche in Deutschland für Studenten im Libanon und Syrien. Per WhatsApp und Mail besteht direkter regelmäßiger Kontakt mit den Empfängern selbst. Es war möglich einen der Studierenden in Beirut zu treffen. In Damaskus wurde die Wiederaufbauarbeit von Rückkehrern in das völlig zerstörte Ost-Ghouta unterstützt. Betriebs- und Wohnräume können baulich instand gesetzt werden. Die armenisch orth. Schule Bab Sharki/Damaskus kann durch mitgebrachte Spendengelder ein Technikkabinett herrichten. Die Arbeit des St. Ephrem-Hilfswerks des syrisch-orth. Patriarchats, das landesweit als NGO tätig ist, konnte ich kennenlernen. In seinen breit aufgestellten Handlungsfeldern arbeitet es ähnlich professionell wie CAPNI im Nordirak. Das Studierendenförderprogramm der syr. orth. Kirche in Beirut konnte durch eine Spende der westfälischen Landeskirche unterstützt werden.

Die Zusammenarbeit der Nahosthilfe der EKM mit der westfälischen Landeskirche hat sich auch 2021 weiter positiv entwickelt. 2021 konnte aus Kollektenmitteln dieser Landeskirche die Unterstützung der Poliklinik in Minyara(Nordlibanon) initiiert werden, für 2022 wurden bereits Mittel für den medizinischen Notfond der Assyrischen Kirche des Ostens (V. Brakya) in Beirut bereitgestellt.

Nahosthilfe für Bildungsarbeit in der gesamten MENA Region

Neu hinzugekommen ist in 2021 die Unterstützung der Telekollegarbeit des christlichen TV-Senders SAT-7, der überregional in der MENA Region via Satellit Schulfernsehen anbietet. In Zeiten von Schulschließungen und Lockdown ist dies ein wichtiger, oft der einzige Zugang zu Bildung. Nach einer Auftaktfinanzierung konnte dieses Programm 2022 in den landeskirchlichen Kollektenplan am 2.So n. Epiphanias (16.1.2022) aufgenommen werden. Der Europakoordinator des Förderkreises, der Däne Kurt Johannson, war im Juli Gast in Rüdersdorf. Auf meiner Visitationsreise im Herbst war es möglich, das TV-Studio des Senders in Beirut zu besichtigen und mit dem Direktor und Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.

Netzwerkarbeit in Deutschland

Alle mit der Region und Partnern verbundenen Sitzungen, Treffen und Gremien fanden pandemiebedingt ausschließlich virtuell statt. Die Pandemie hat allen gelehrt, dass Videochat nicht nur mit den Partnern in fernen Zielländern funktionieren kann, sondern auch in unserem Land lange Anfahrten und zumeist Übernachtungs- und Bewirtungskosten spart. Folgende Treffen fanden virtuell statt: Syrienrunde der EKD und der Ev. Mittel-Ost-Kommission (EMOK), CAPNI-Konsultationstagung, Dialogveranstaltung des LKÖZ via Zoom zur aktuellen Situation in Syrien mit Msg. J. Nassif, Arbeitstreffen Brot f.d.W/Diakonie Katastrophenhilfe, zahlreiche Meetings in Vorbereitung zu Projektbeantragungen mit Partnern in den Zielländern

Dank

Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit erfolgt mit dem Team des LKÖZ. Mein Dank gilt der Ev. Kirche in Mitteldeutschland, die die Nahosthilfe nun schon mehrere Jahre verläßlich unterstützt. Der Dank gilt insbesondere auch Frau K. Natho, die als Referentin für Umwelt und kirchlichen Entwicklungsdienst die Nahosthilfsarbeit begleitet.

Ein Dank gilt auch allen Gemeinden, Werken und Kirchenkreisen unserer Landeskirche, die im Rahmen des 2% Appells im Jahr 2021 die Nahosthilfe mit einer Summe von 15779,02 EUR unterstützt haben. Der Dank gilt auch all den zahlreichen und vielen Spendern im gesamten Bundesgebiet, die darauf vertrauen, dass ihre Spende auch wirklich ankommt. Sicher ist unsere Nahosthilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Bedarf ist immer höher als das, was wir zu leisten im Stande sind. Aber es ist ein Tropfen! 2021 war der immerhin 73359,42 EUR stark.



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